
Die schlechten Umfragewerte der CDU sorgen in Teilen der Partei für Krisenstimmung. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zwischen AfD und Linken aufgerieben werden“, sagte der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Dennis Radtke, der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitagausgabe). „Die Umfragen für die Koalition sind dramatisch.“
Würde heute im Bund gewählt, wäre die Koalition aus Union und SPD ohne Mehrheit. „Wer hätte sich so etwas vor zehn oder 20 Jahren vorstellen können?“, sagte Radtke. „Wir steuern in Deutschland auf französische Verhältnisse zu, wir haben schon heute zwei Landtage, in denen die Landesregierungen keine eigene Mehrheit mehr im Parlament haben.“ Zu glauben, dies sei „nur die Folge der Flüchtlingskrise von 2015 und der Corona-Pandemie, ist nicht nur falsch, es ist gefährlich“.
Der CDU-Politiker, der auch im Europaparlament und im Bundesvorstand seiner Partei sitzt, weist darauf hin, dass bereits in fünf Wochen Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen seien, dem mit Abstand bevölkerungsreichsten Bundesland. Vor der letzten Kommunalwahl in NRW habe die Union in den bundesweiten Umfragen nicht wie jetzt bei 25, sondern noch bei 38 Prozent gelegen. „Die Autosuggestion, dass die Stimmung überall super sei, ist in so einer Lage nicht ausreichend“, findet Radtke. Es sei eben „bei Weitem nicht so, dass quer durchs Land vor lauter Begeisterung die Löcher aus dem Käse fliegen“.
Der Chef des Arbeitnehmerflügels verlangt deshalb, dass die CDU ihren Kurs nachjustiert. „Der notwendige Dreiklang aus äußerer Sicherheit, innerer Sicherheit und sozialer Sicherheit muss klarer erkennbar sein.“ Außenpolitisch habe der Bundeskanzler Deutschland zurück in die Champions League geführt. Mit Blick auf die Innenpolitik würde er sich aber „einen roten Faden wünschen, ein positiv intoniertes Zukunftsnarrativ“. Denn „das Aufstiegsversprechen, das die Demokratie in Deutschland nach der Nazi-Zeit gefestigt hat, ist seit mindestens 20 Jahren tot“, so Radtke.
„Selbst junge Akademiker haben in vielen Regionen in Deutschland auf dem Wohnungsmarkt keine Chance und ziehen zurück zu ihren Eltern oder in WGs“, sagte er. Die gutverdienende Mittelschicht sei an vielen Stellen nicht mehr in der Lage, sich Wohneigentum zu kaufen. „Diese Fragen nicht zu adressieren, treibt viele Menschen in die Arme der Linkspartei.“ Deren Lösungen für das Problem seien zwar alle untauglich, aber sie besetze das Thema als einzige Partei prominent.
Die AfD auf der anderen Seite speise „sich nicht nur aus ihrem Brot-und-Butter-Thema Migration, sondern auch sehr stark aus ihrem Kampf gegen das Establishment und aus einer politischen und kulturellen Entfremdung der Arbeiter von den Volksparteien“. Letzteres sei „natürlich ein historisches Versagen der SPD, aber ich gebe mich nicht zufrieden damit, dass wir als CDU davon nicht profitieren können“.
Die Fragen von Mieten und Eigentum müssten jetzt ins Zentrum der politischen Arbeit der Bundesregierung gerückt werden. „Eine steuerliche Attraktivierung von betrieblichem Wohnen, ein radikaler Abbau der Bauvorschriften der letzten zehn Jahre und die Implementierung von Mietkaufmodellen wie in Österreich wären klare Signale und könnten einen Schub auslösen.“
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