
Für seine Forderung nach einer deutschen nuklearen Teilhabe erhält Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) Unterstützung von der AfD.
„Das Leitmotiv der AfD-Politik ist ein souveränes, also möglichst unabhängiges, Deutschland“, sagte Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, der „Welt“. Nukleare Abschreckung sei ein wesentlicher Bestandteil, um die Erpressbarkeit von Staaten zu reduzieren. Die nukleare Teilhabe an US-Atomwaffen stehe infrage, die Beteiligung an französischen oder britischen werde es nicht geben. „Ein deutsches Atomwaffenprogramm ist daher die logische Konsequenz.“
Spahn hatte zuvor eine Debatte über eigenständige europäische Atomwaffen unter deutscher Führung gefordert. „Wer nicht nuklear abschrecken kann, wird zum Spielball der Weltpolitik“, sagte Spahn der „Welt am Sonntag“.
Die Grünen halten Spahns Vorstoß für politische Taktik. „Jens Spahn redet von einer deutschen Atombombe und einem Iron Dome – aber wer schützt uns eigentlich vor seinem politischen Verantwortungsvakuum?“, fragte Sara Nanni, Sprecherin für Verteidigungspolitik der Grüne-Bundestagsfraktion. „Seine lautstarken Forderungen in der Verteidigungspolitik sind weniger sicherheitspolitisch motiviert als persönlich: Wer im Zentrum eines beispiellosen Milliarden-Maskenskandals steht, braucht offensichtlich dringend Nebelkerzen und Ablenkungsschutzschilde.“
Spahn lenke durch den Ruf nach mehr Härte davon ab, Verantwortung zu übernehmen. Dem Unionsfraktionschef mangele es an klugen Entscheidungen und sauberer Politik. „Die Wahrheit ist: Wären die Maskendeals unter Jens Spahn nicht so desaströs schiefgelaufen, stünde heute deutlich mehr Geld für echte Sicherheitsmaßnahmen zur Verfügung“, sagte Nanni der „Welt“. „Statt Milliarden an Schadensersatz zu zahlen, könnten wir längst zusätzliche Munition beschaffen oder mehr Luftverteidigung finanzieren – so wie es die Ampel mit ESSI und Arrow begonnen hat.“
Die Linke hält deutsche Atomwaffen für ein „absolutes No-Go“. „Die Aufrüstung mit eigenen Atomwaffen ist der Endpunkt einer inzwischen nach oben offenen militärischen Aufrüstungswelle“, sagte Ulrich Thoden, verteidigungspolitischer Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion. „Wer immer mehr aufrüstet, macht Krieg immer wahrscheinlicher.“
Eine wesentliche Schlussfolgerung für die neu gegründete Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg sei jener Verzicht auf Atomwaffen gewesen, sagte Thoden. Eine deutsche Beteiligung an Atomwaffen würde „die Nachkriegsordnung völlig auf den Kopf stellen“, auch gegenüber den Alliierten. „Atomwaffen mit deutscher Mitverfügungsgewalt sind das letzte Tabu, das nun Jens Spahn auch noch schleifen will“, so Thoden. Der Unionsfraktionschef stelle hierdurch ein „Sicherheitsrisiko“ dar.
Sahra Wagenknecht hält die Unions-Vorschläge ebenfalls für gefährlich. „Die Aufrüstungsdebatte wird immer wahnsinniger. Noch mehr Atomwaffen machen unsere Welt nicht sicherer, sondern erhöhen die Kriegsgefahr“, sagte die BSW-Vorsitzende. „Nicht zuletzt, weil damit die Gefahr wächst, dass schon ein Missverständnis einen nuklearen Schlagabtausch auslösen kann, der Europa unbewohnbar machen würde.“ Es sei perfide, dass Spahn eine „Atomwaffendiskussion anzettelt“, um von der Masken-Affäre abzulenken. „Spahn sollte sich beim Steuerzahler entschuldigen und sich aus der Politik zurückziehen.“
Foto: via dts Nachrichtenagentur